Ich bin Jolanda Seevogel, oder doch
nicht?
Kleine Geschichte von unterwegs
Manchmal reist man ja mit einer
Sehnsucht und einer gewissen Schwermut wieder heim, man möchte
schnell wieder her kommen, weil es so schön war und man ist betrübt,
weil der Urlaub vorbei ist.
Ich reise heute mit leichtem Gepäck
und einem frohen Herzen wieder nach Hause.
Ich brauche nicht wieder zu kommen.
Muss hierhin nicht zurück.
Meinen Traum, meine Wünsche konnte ich
da lassen, ohne dass ich vor hatte sie los zu werden.
Ich wollte dort oben am Meer so gerne
leben, zurück in meine alte Heimat, ein Gartenhäuschen, eine Hütte
am Strand würde genügen, Hauptsache mit Meerblick.
Nun hat sich dieser Wunsch losgebunden,
ganz von alleine und ohne dass ich es beabsichtigt hätte.
Ich sitze im Zug und fühle mich leicht
und irgendwie erheitert. Ich hatte ein Zimmer mit Blick aufs Meer,
sogar von meinem Bett aus, ich habe es sehr genießen können, die
frische Luft, das Rauschen der Wellen und das lange Schauen auf die
Weite. Und jetzt ist es vorbei und ich bin erheitert.
Und je weiter weg mein Zug rollt, um so
leichter fühle ich mich. Wie seltsam dass man manchmal zurück
kehren muss um es ganz genau zu wissen. Noch einmal die alten Orte
der Sehnsüchte aufsuchen, noch einmal hinein schnuppern, noch einmal
sich ausbreiten, um dann erstaunt feststellen zu können: Es ist
vorbei.
Die Dinge erledigen sich in aller
Stille, bevor man es mitbekommt und plötzlich zeigt es sich.
Ich bin Jolanda Seevogel, ich bin
Durchreisende und Kinderbuchautorin und das ist ein Pseudonym und
gelogen, aber es macht mir gerade Freude mich so zu nennen.
Wer ich in Wirklichkeit bin, das weiß
ich nicht. Klar habe ich einen Pass in dem mein Name steht, aber das
ist auch nur ein Name, ein amtlicher sozusagen.
Ich bin also Jolanda Seevogel und ich
reise leichten Herzens in meine neue Heimat, die aber auch längst
meine alte Heimat ist, weil ich da zuhause bin. Ich habe Kinder und
ich habe Enkelkinder, die mein Herz erfreuen und die mir ein Lächeln
zaubern können, wenn ich nur an sie denke.
Dort am Strand wollte ich in den Dünen
sitzen, soviel schreiben, ab und zu aufs Meer schauen, mich vom
Gewoge des Windes und des Wassers inspirieren lassen und neue Kraft
schöpfen.
Aber ich kam nicht zum Schreiben, bin
lieber hin und hergewandert, in den Dünen, am Wasser und habe den
Vögeln nachgeschaut oder ich saß in meinem Zimmer am Fenster und
schaute auf Meer, auf die Wolken und studierte den Himmel.
Einfach nur gucken. Schreiben konnte
ich nicht.
Erst jetzt, auf der Heimfahrt im Zug
fange ich an zu schreiben. Mühelos wie von allein.
Ich bin Jolanda Seevogel, bin
Durchreisende und Kinderbuchautorin und das ist gelogen, aber alles
andere ist wahr.
Ist das der Anfang einer neuen
Geschichte? Einer neuen Identität, ein Spiel? Warum nicht?
Wer ich bin, das weiß ich nicht, aber
dass ich bin ist so offensichtlich und so klar.
Also lasst uns spielen, neue Kleider
anziehen, neue Identitäten ausprobieren.
Die Welt ist ein großes Theater.
Jolanda Seevogel, Durchreisende oder
Suprya, Gina, Oma, Mama, Schwester, Geliebte, Tochter, Angestellte,
Rentnerin, Sternenpflückerin oder was auch immer...
©Suprya Gina
Text und Foto 8/16