Freitag, 7. September 2018

Jolanda Seevogel


Ich bin Jolanda Seevogel, oder doch nicht?
Kleine Geschichte von unterwegs

Manchmal reist man ja mit einer Sehnsucht und einer gewissen Schwermut wieder heim, man möchte schnell wieder her kommen, weil es so schön war und man ist betrübt, weil der Urlaub vorbei ist.

Ich reise heute mit leichtem Gepäck und einem frohen Herzen wieder nach Hause.
Ich brauche nicht wieder zu kommen. Muss hierhin nicht zurück.
Meinen Traum, meine Wünsche konnte ich da lassen, ohne dass ich vor hatte sie los zu werden.

Ich wollte dort oben am Meer so gerne leben, zurück in meine alte Heimat, ein Gartenhäuschen, eine Hütte am Strand würde genügen, Hauptsache mit Meerblick.

Nun hat sich dieser Wunsch losgebunden, ganz von alleine und ohne dass ich es beabsichtigt hätte.

Ich sitze im Zug und fühle mich leicht und irgendwie erheitert. Ich hatte ein Zimmer mit Blick aufs Meer, sogar von meinem Bett aus, ich habe es sehr genießen können, die frische Luft, das Rauschen der Wellen und das lange Schauen auf die Weite. Und jetzt ist es vorbei und ich bin erheitert.

Und je weiter weg mein Zug rollt, um so leichter fühle ich mich. Wie seltsam dass man manchmal zurück kehren muss um es ganz genau zu wissen. Noch einmal die alten Orte der Sehnsüchte aufsuchen, noch einmal hinein schnuppern, noch einmal sich ausbreiten, um dann erstaunt feststellen zu können: Es ist vorbei.
Die Dinge erledigen sich in aller Stille, bevor man es mitbekommt und plötzlich zeigt es sich.

Ich bin Jolanda Seevogel, ich bin Durchreisende und Kinderbuchautorin und das ist ein Pseudonym und gelogen, aber es macht mir gerade Freude mich so zu nennen.
Wer ich in Wirklichkeit bin, das weiß ich nicht. Klar habe ich einen Pass in dem mein Name steht, aber das ist auch nur ein Name, ein amtlicher sozusagen.

Ich bin also Jolanda Seevogel und ich reise leichten Herzens in meine neue Heimat, die aber auch längst meine alte Heimat ist, weil ich da zuhause bin. Ich habe Kinder und ich habe Enkelkinder, die mein Herz erfreuen und die mir ein Lächeln zaubern können, wenn ich nur an sie denke.

Dort am Strand wollte ich in den Dünen sitzen, soviel schreiben, ab und zu aufs Meer schauen, mich vom Gewoge des Windes und des Wassers inspirieren lassen und neue Kraft schöpfen.
Aber ich kam nicht zum Schreiben, bin lieber hin und hergewandert, in den Dünen, am Wasser und habe den Vögeln nachgeschaut oder ich saß in meinem Zimmer am Fenster und schaute auf Meer, auf die Wolken und studierte den Himmel.
Einfach nur gucken. Schreiben konnte ich nicht.
Erst jetzt, auf der Heimfahrt im Zug fange ich an zu schreiben. Mühelos wie von allein.

Ich bin Jolanda Seevogel, bin Durchreisende und Kinderbuchautorin und das ist gelogen, aber alles andere ist wahr.

Ist das der Anfang einer neuen Geschichte? Einer neuen Identität, ein Spiel? Warum nicht?
Wer ich bin, das weiß ich nicht, aber dass ich bin ist so offensichtlich und so klar.

Also lasst uns spielen, neue Kleider anziehen, neue Identitäten ausprobieren.
Die Welt ist ein großes Theater.

Jolanda Seevogel, Durchreisende oder Suprya, Gina, Oma, Mama, Schwester, Geliebte, Tochter, Angestellte, Rentnerin, Sternenpflückerin oder was auch immer...

©Suprya Gina
Text und Foto 8/16

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